Die Themen LRS, Förderplan und Maßnahmenplan können in den entsprechenden Verordnungen und Richtlinien des Hessischen Kultusministeriums nachgelesen werden. Auch auf der offiziellen Webseite des Kultusministeriums oder in den Handreichungen für Lehrer finden sich ausführliche Informationen über die Pflicht der Schule zur Umsetzung der Förderung im Einzelfall.
Hier sind die relevanten Paragraphen aus der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisse (VOGSV), der Verordnung über Unterricht, Erziehung und sonderpädagogische Förderung
von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen (VOSB) sowie dem Hessischen Schulgesetz (HSchG) zur individuellen Förderung und Nachteilsausgleich:
Diese Paragraphen bilden die Grundlage für die individuelle Förderung und den Nachteilsausgleich in allen Schulformen in Hessen und regeln, wie die Lehrkräfte im Einzelfall unterstützen.
Er wird durch die Eltern beantragt oder auf eigene Initiative der Schule beschlossen. Die Klassenkonferenz ist für den Beschluss über die differenzierten Maßnahmen zuständig. Sie besteht aus den Lehrkräften der Klasse oder des jeweiligen Fachbereichs, die gemeinsam über die Fördermaßnahmen und die Maßnahmen des Nachteilsausgleichs beraten und entscheiden. Gemäß § 7 Abs. 5 und § 42 Abs. 4 VOGSV trifft die Klassenkonferenz die Entscheidung über die Gewährung und Dauer eines Nachteilsausgleichs oder das Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung oder Leistungsbewertung.
Der Förderplan muss in der Regel halbjährlich und der Nachteilsausgleich nach dem im Beschluss der Klassenkonferenz festgelegten Zeitraum überprüft und aktualisiert/fortgeschrieben werden. Bei Bedarf, beispielsweise wenn sich der Förderbedarf des Schülers ändert, können auch häufiger Anpassungen vorgenommen werden. (§ 6 Abs. 2 VOGSV)
Jede Evaluation des Förderplan muss schriftlich dokumentiert werden. Es ist auch erforderlich, dass diese Dokumentation den Eltern und gegebenenfalls dem Schüler vorgelegt und mit ihnen besprochen wird, um Transparenz und Mitwirkung zu gewährleisten (VOGSV § 6, Abs. 1). Alle Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung oder -bewertung aufgrund der LRS müssen ihre Grundlage in den individuellen Förderplänen der Schüler*innen haben (§ 42 Abs. 3).
In der Oberstufe und beim Abitur müssen spezielle Regelungen und Nachteilsausgleiche für Schüler mit LRS berücksichtigt werden. Dazu gehören beispielsweise verlängerte Prüfungszeiten, die Bereitstellung von Hilfsmitteln oder spezielle Unterstützung bei der Bewertung der sprachlichen Leistungen. Die genauen Maßnahmen sollten individuell im Förderplan festgehalten und regelmäßig überprüft werden.
Das LRS-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stellt fest:
Die bei den Beschwerdeführern fachärztlich diagnostizierte Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) stellt eine Behinderung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG dar. (Urteil vom 22. November 2023, AZ 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2579/15, 1 BvR 2578/15, RN 35)
Das BVerfG führt aus, dass „eine Behinderung im verfassungsrechtlichen Sinne vorliegt, wenn eine Person infolge eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes in der Fähigkeit zur individuellen und selbstständigen Lebensführung längerfristig beeinträchtigt ist. Geringfügige Beeinträchtigungen sind nicht erfasst, sondern nur Einschränkungen mit Gewicht. Auf den Grund der Behinderung kommt es nicht an. Geschützt sind auch chronisch oder psychisch Kranke, wenn sie längerfristig und gewichtig beeinträchtigt sind.“ (Rn. 36, Urteil des BVerfG vom 22.11.2023).
Legasthenie [ist dabei eine Störung, bei der] die Defizite im Lesen und Schreiben nicht auf Ursachen ohne Krankheitswert wie etwa einer geringen Begabung, fehlenden Lerngelegenheiten oder unzureichenden Sprachkenntnissen, sondern auf einer medizinisch messbaren neurobiologischen Hirnfunktionsstörung und damit auf einem regelwidrigen körperlichen Zustand [beruhen]“ (Rn. 42).
Die Symptome der neurobiologischen Funktionsstörung, nämlich eine deutliche Verlangsamung des Lesens, Schreibens und Textverständnisses und weit unterdurchschnittliche Rechtschreibfähigkeiten [halten] längerfristig regelmäßig sogar lebenslang an. Die damit verbundenen Einschränkungen einer individuellen und selbstbestimmten Lebensführung sind zudem gewichtig. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung gilt dies insbesondere während der Schulzeit“ (Rn. 43).
1. Individuelle Förderpläne bei besonderen Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen
Zusätzlich sind die Regelungen in § 7 VOGSV zu beachten:
Bei Schülerinnen und Schülern mit einer nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung (z. B. Armbruch) oder mit Behinderungen, die eine Unterrichtung mit einer der allgemeinen Schule entsprechenden Zielsetzung zulassen, ist bei mündlichen, schriftlichen, praktischen und sonstigen Leistungsanforderungen auf deren besondere Bedürfnisse durch individuelle Fördermaßnahmen angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies gilt auch bei Schülerinnen und Schülern mit psychischen Erkrankungen. Auf Antrag ist ihnen ein Nachteilsausgleich zu gewähren oder von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung oder Leistungsbewertung abzuweichen. Hilfen in Form eines Nachteilsausgleichs oder des Abweichens von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung sind vorrangig vor dem Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung, können in begründeten Einzelfällen aber auch nebeneinander gewährt werden.
Formen des Nachteilsausgleichs sind Differenzierungen hinsichtlich der Art und Weise der Leistungserbringung oder der äußeren Bedingungen entsprechend den Beeinträchtigungen oder Schwierigkeiten der jeweiligen Schülerin oder des jeweiligen Schülers. Dies können insbesondere folgende Maßnahmen sein:
Ein Vermerk über den gewährten Nachteilsausgleich ist in Arbeiten und Zeugnissen nicht aufzunehmen.
Ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung beinhaltet Differenzierungen hinsichtlich der Leistungsanforderungen bei gleich bleibenden fachlichen Anforderungen. Dies können insbesondere folgende Maßnahmen sein:
Ein Vermerk über das Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung ist in Arbeiten und Zeugnissen nicht aufzunehmen.
Ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung (Notenschutz) beinhaltet Differenzierungen hinsichtlich der Leistungsanforderungen verbunden mit geringeren fachlichen Anforderungen. Die fachlichen Anforderungen an Abschlussprüfungen bleiben unberührt. Folgende Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:
Es erfolgt eine verbale Aussage in den Arbeiten und Zeugnissen, dass von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung abgewichen wurde.
Die Entscheidung über die Gewährung und die Dauer eines Nachteilsausgleichs oder das Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung oder Leistungsbewertung trifft die Klassenkonferenz auf Antrag der Eltern, bei volljährigen Schülerinnen und Schülern auf deren Antrag oder auf eigene Initiative. Wird die Klassenkonferenz von sich aus tätig, sind die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler vor der Entscheidung anzuhören; im Falle des Abweichens von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung ist ihre Einwilligung erforderlich. Die Gewährung eines Nachteilsausgleichs, eines Abweichens von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung oder Leistungsbewertung ist in den individuellen Förderplan aufzunehmen und konkrete Maßnahmen sind differenziert festzuhalten. Die Eltern sowie die Schülerin oder der Schüler sind über die Klassenkonferenzbeschlüsse zu informieren.
Bei Abschlussprüfungen entscheidet die Prüfungskommission nach Kenntnisnahme des jeweiligen individuellen Förderplans, ob ein Nachteilsausgleich zu gewähren ist oder ob von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung abgewichen wird. § 31 Abs. 2 der Oberstufen- und Abiturverordnung sowie die Verordnung über die Ausbildung und Abschlussprüfung an Fachoberschulen bleiben unberührt. In den Fällen, in denen zum Zeitpunkt des schriftlichen Abschnitts einer Abschlussprüfung noch keine Prüfungskommission eingerichtet wurde oder keine Prüfungskommission zu bilden ist, entscheidet die Klassenkonferenz unter dem Vorsitz der Schulleiterin oder des Schulleiters über die Gewährung. Über die Entscheidung ist die Schulaufsichtsbehörde zu unterrichten. Bei Abschlussprüfungen ist dem Kultusministerium rechtzeitig vor der Prüfung über die Entscheidung, die ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung beinhaltet, zu berichten. Ein Abweichen von den Grundsätzen der Leistungsbewertung ist bei Abschlussprüfungen ausgeschlossen.
Laut § 3 HSchG ist Schule so zu gestalten,
dass jede Schülerin und jeder Schüler unter Berücksichtigung der individuellen Ausgangslage in der körperlichen, sozialen und emotionalen sowie kognitiven Entwicklung angemessen gefördert wird. Es ist Aufgabe der Schule, drohendem Leistungsversagen und anderen Beeinträchtigungen des Lernens, der Sprache sowie der körperlichen, sozialen und emotionalen Entwicklung mit vorbeugenden Maßnahmen entgegenzuwirken. Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsstörungen haben Anspruch auf individuelle Förderung. Hochbegabte Schülerinnen und Schüler sollen durch Beratung und ergänzende Bildungsangebote in ihrer Entwicklung gefördert werden.
Die Eltern müssen den Nachteilsausgleich beantragen. So lange sie diesen nicht beantragt haben, erhält ihr Kind den Nachteilsausgleich nicht.
Das ist falsch. Die Schule ist verpflichtet, falls aufgrund der Lernausgangslage des Kindes notwendig, den Nachteilsausgleich auf eigene Initiative zu beschließen (§ 7 Abs. 5, § 42 verwiest auf § 7). Die Schule ist zu jeder Zeit verpflichtet, drohendem Leistungsversagen mit den Mitteln der individuellen Förderung entgegen zu wirken (§ 3 HSchG).
Ein Nachteilsausgleich kann in höheren Jahrgängen nur gegeben werden, wenn die Förderung lückenlos dokumentiert wurde.
Das ist falsch. Das Kind kann nichts für etwaige Versäumnisse seitens der Schule, die ihrerseits die Förderung umzusetzen und zu dokumentieren hat. Es besteht immer ein Rechtsanspruch auf einen Nachteilsausgleich, wenn die Lernausgangslage des Kindes dies erfordert. Die Verweigerung des Nachteilsausgleichs bei bestehendem Rechtsanspruch kann als Amtspflichtverletzung der Lehrkräfte sowie als Diskriminierung gewertet werden: Eine Benachteiligung des Kindes durch den fehlenden Nachteilsausgleich bei bestehender Behinderung oder bei drohendem Leistungsversagen durch besondere Schwierigkeiten beim Lesen und (Recht)schreiben ist gemäß Art. 3 GG (vgl. § 3 Abs. 3 HSchG) verboten.
Einen Notenschutz gibt es nur bis Klasse 6/nur bis zur Oberstufe.
Hier gilt vielmehr nach § 43 VOGSV bis zum Ende der Schulzeit:
In besonders begründeten Ausnahmefällen können die Lese- und Rechtschreibleistung und in der Grundschule die Rechenkenntnisse im Fach Mathematik bei der Zeugnisnote unberücksichtigt bleiben. Die Aussetzung einer Teilnote erfolgt jeweils für ein Schulhalbjahr. Die Entscheidung darüber trifft unter Beachtung des individuellen Förderplans die Klassenkonferenz.
Ebenso gilt nach § 7 Abs. 4:
2. Mündliche statt schriftliche Arbeiten, z. B. einen Aufsatz auf Band sprechen (Rechtschreibleistung entfällt)
4. zeitweiser Verzicht auf eine Bewertung der Lese-, Rechtschreib- oder – in der Grundschule – Rechenleistung in allen betroffenen Fächern
5. Nutzung des pädagogischen Ermessensspielraumes bei Aussetzung der Notengebung für ein Fach
6. Bereitstellen oder Zulassen spezieller technischer und didaktischer Hilfs- oder Arbeitsmittel wie Wörterbuch, Computer mit Rechtschreibüberprüfung, aufgrund derer keine Rechtschreibleistung erbracht wird
Es erfolgt eine Bemerkung auf dem Zeugnis dazu. Bei den Abschlussprüfungen ist das Abweichen von der Leistungsbewertung allerdings ausgeschlossen.
Es gibt entweder einen Nachteilsausgleich oder einen Notenschutz.
Das ist falsch. Der Notenschutz ist ein Teil des Nachteilsausgleiches. Die Verordnung beschreibt hierzu sehr klar: „Vorrangig vor dem Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung sind auf der Grundlage des individuellen Förderplans Hilfen in Form eines Nachteilsausgleichs (§ 7) oder des Abweichens von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung vorzusehen, können in begründeten Einzelfällen aber auch nebeneinander gewährt werden.“ (§ 42 Abs. 2 VOGSV)
Was ist ein Notenschutz?
In besonders begründeten Ausnahmefällen können die Lese- und Rechtschreibleistung und in der Grundschule die Rechenkenntnisse im Fach Mathematik bei der Zeugnisnote unberücksichtigt bleiben. Die Aussetzung einer Teilnote erfolgt jeweils für ein Schulhalbjahr. Die Entscheidung darüber trifft unter Beachtung des individuellen Förderplans die Klassenkonferenz. § 39 Abs. 4 Satz 4 gilt entsprechend. (§ 43 Abs. 1 VOGSV) Es wird also von der Leistungsbewertung abgewichen, indem eine Teilnote (z.B.Rechtschreibung nicht festgestellt wird). Dazu erfolgt dann eine entsprechende verbale Aussage im Zeugnis unter „Bemerkungen“.
Der Nachteilsausgleich in der Oberstufe muss vom Staatlichen Schulamt genehmigt werden.
Das ist verkürzt dargestellt. Bei einer bestehenden Behinderung (also der fachärztlich festgestellten LRS) gilt die Regelung nach § 7 VOGSV. Hier muss davon ausgegangen werden, dass die besonderen Schwierigkeiten im Lesen und (Recht)schreiben ebenso wie andere Behinderungen lebenslänglich bestehen, da sie ihre Ursache in einer anderen neuronalen Reizverarbeitung haben. Eine Benachteiligung gemäß Art. 3 GG muss also vermieden werden. Die Entscheidung trifft die Klassenkonferenz auf Antrag der Eltern oder auf eigene Initiative.
Liegen „besondere Schwierigkeiten“ vor, die trotz der schulischen Förderung weiterhin bestehen, entscheidet die Schulaufsichtsbehörde „einmalig zu Beginn der Sekundarstufe II auf Antrag der Eltern oder der volljährigen Schülerin oder des volljährigen Schülers, ob ein besonders begründeter Ausnahmefall vorliegt, der eine Fortsetzung besonderer Fördermaßnahmen in den Bildungsgängen der Sekundarstufe II rechtfertigt.“ (§ 39 Abs. 4)