Das Staatliche Schulamt in Frankfurt hat einen eigenen Leitfaden zur Feststellung des Förderschwerpunktes emotionale-soziale Entwicklung erstellt. Dieser Leitfaden hat einen anderen Tenor als der vom Hessischen Kultusministerium herausgegebene Erlass EMS vom 1. September 2020 (Abl. 10/20 S. 564-579)
Er hat auch weder ein Impressum, noch ein Datum und wirkt daher nur mit dem Hessen Logo - "Hessen lebt Respekt" etwas unseriös. Er bietet zudem keine konkreten Unterstützungsangebote für Schulen.
Stattdessen suggeriert der Leitfaden mit seinem Stufenmodell, dass die Feststellung des Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung mit dem Besuch der Förderschule verknüpft ist.
Das wird in Frankfurt zu einem Problem, weil wir erleben müssen, dass die Berater:innen des
Staatlichen Schulamtes in Frankfurt die Eltern regelmäßig und vorschnell dazu auffordern,
ihr Einverständnis zum Feststellungsverfahren durch die Sonderpädagogik zu geben.
Auch die allgemeinen Schulen drängen die Eltern häufig dazu, ihr Einverständnis zur Feststellung des
Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung zu geben, weil ihnen vermittelt wird, dass sie nur auf
diese Art und Weise überhaupt Unterstützung durch die Schulverwaltung erhalten.
Die Feststellung des Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung ist ein tiefgreifender
Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Kindes.
Mit dieser Etikettierung mutiert das reguläre
Schulkind zum „Sonderschüler“. Eltern sollten also bedachtsam und kritisch mit der Aufforderung
der Schulbehörde nach Feststellung eines Anspruchs und der daraus folgenden Etikettierung ihres
Kindes umgehen.
Die Eltern sollten daher immer vorab nachfragen, welche konkreten Vorteile dieser
festgestellte Anspruch im Vergleich zu den übrigen Möglichkeiten hat, die das Schulrecht als
Unterstützung ohnehin vorsieht.
Der Erlass EMS beinhaltet zwei Kriterien, die BEIDE zur Feststellung gegeben sein müssen:
UND
Der Erlass EMS sieht folgende Vorgehensweise vor:
Die Schule vermittelt den Schülerinnen und Schülern entsprechend ihrem Bildungs- und
Erziehungsauftrag auch emotionale und soziale Kompetenzen. Die allgemeine Schule trifft
vorbeugende Maßnahmen (VM), um drohendem Leistungsversagen entgegenzuwirken und
dokumentiert diese vollständig.
I. Vorbeugende Maßnahmen der allgemeinen Schule können sein:
• Ein positives Schulklima
• eine wertschätzende pädagogische Haltung
• ein tragfähiges schulisches Förderkonzept mit Präventionsprogrammen zum sozialen Lernen
• Reflexion der Lehrkräften im Umgang mit herausforderndem Verhalten
• aktive Elternarbeit, Erziehungsvereinbarungen
• Fortbildungsangebote für Lehrkräfte
• Maßnahmen der Schulsozialarbeit und Jugendhilfe
• pädagogische Maßnahmen und Ordnungsmaßnahmen
• Klassenwechsel oder Wechsel an eine andere Schule
Reichen diese vorbeugenden Maßnahmen durch die allgemeine Schule nicht, können die Förderschullehrkräfte aus dem zuständigen Beratungs- und Förderzentrum (BFZ) hinzugezogen werden.
II. Sonderpädagogische vorbeugende Maßnahmen im Unterricht können folgen:
• Förderschullehrkräfte bestimmen den Lernstand sowie den Entwicklungsstand des Kindes
im Kontext einer Kind-Umfeld-Analyse
• Förderschullehrkräfte beraten und begleiten die Lehrkräfte der allgemeinen Schule bei der
Anwendung des Nachteilsausgleichs
• Sie helfen bei der Ausgestaltung, Umsetzung und Reflexion der individuellen,
prozessbegleitenden Förderplanung
BEVOR ein Entscheidungsverfahren zur Feststellung des Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung eingeleitet wird, müssen ALLE Beteiligten gemeinsam prüfen, ob die vorbeugenden Maßnahmen (allgemeine Schule, sonderpädagogische Beratungs- und Förderangebote, Maßnahmen der Jugendhilfe) schon ausgeschöpft wurden. Nur für Schüler:innen, die über die vorbeugenden Maßnahmen hinaus Unterstützungsangebote benötigen, kommt ein Anspruch auf sonderpädagogische Förderung im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung in Betracht.
Folgende Kriterien müssen gegeben sein:
UND
Bei einem Anspruch auf sonderpädagogische Förderung im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung bleiben die Zielsetzungen der allgemeinen Schule. Diese Schülerinnen und Schüler erhalten dann aber spezifische und über die individuelle Förderung hinausgehende Angebote, die sie darin unterstützen, soziales Verhalten aufzubauen. Dazu kann auch eine „Kurzbeschulung“ mit nur teilweiser Teilnahme am Klassenunterricht gehören.
Der Anspruch auf sonderpädagogische Förderung muss hinsichtlich seiner Wirkkraft und Notwendigkeit spätestens nach Ablauf von zwei Jahren überprüft werden. Zur Sicherung der Qualität und Überprüfbarkeit fertigt die Schulbehörde einen Dokumentationsbogen, auf dem die Kriterien aufgelistet und abzuhaken sind, die die Feststellung des Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung rechtfertigen. Der Dokumentationsbogen wird der Schülerakte beigefügt.
Eltern können Einsicht in die Schülerakte verlangen und sich diesen kopieren lassen.