Eltern sind zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass Schüler*innen mit seelischer Behinderung aufgrund ihrer ICD-10 Diagnose sowie ihrer persönlichen Situation die Voraussetzungen für eine Teilhabeassistenz nach § 35a erfüllen müssen, um überhaupt an Bildung teilhaben zu können. Diese wird aber teilweise durch den Eingliederungshilfeträger (hier Jugendamt) neuerdings an die Bedingung geknüpft, dass die Schule zuvor erst den Förderschwerpunkt emotionale/soziale Entwicklung (EMS) festgestellt haben möge.
Das Jugendamt in seiner Rolle als Träger der Eingliederungshilfe hat die Leistung zu bewilligen, sobald der Rechtsanspruch darauf besteht. Dieser Rechtsanspruch ist unabhängig von „Förderausschuss“ oder „sonderpädagogischem Feststellungsverfahren“. Beide sind nicht Bestandteil des Sozialgesetzbuches. Vielmehr gilt mit Blick auf die Rechtsprechung folgende Regelung:
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die schulrechtlichen Regelungen sehen die Feststellung des Förderschwerpunktes EMS in den meisten Fällen nicht mehr vor. Es gibt ein gestuftes Verfahren zur (sonder)pädagogischen Förderung von Schüler*innen, die zusätzliche schulische Unterstützung brauchen: Die allgemeine Schule trifft vorbeugende Maßnahmen, um drohendem Leistungsversagen entgegenzuwirken und die Auswirkungen von Beeinträchjtigungen zu verringern (§ 2 VOSB). Weiterhin kann sie die Unterstützung durch Beratung, Diagnostik und Arbeit mit dem Kind durch das BFZ (§ 3u.4 VOSB) in Anspruch nehmen. Das Feststellungsverfahren zum Anspruch auf sonderpädagogische Förderung dagegen ist durch den Erlass des HKM vom 13. Oktober 2021 (s. ABl. 11/21) an feste Kriterien geknüpft, die sich auf die Vermeidung von Schulversagen nach § 3 Abs. 6 HSchG beziehen.
Die notwendigen schulrechtlichen Vorkehrungen werden also regulär bereits im Sinne der vorbeugenden Maßnahmen getroffen. Es gilt zu unterscheiden in die (sonder)pädagogische Förderung im Sinne der Kernkompetenz der Lehrkräfte und den Hilfebedarf des Kindes nach dem SGB. Bei vielen dieser Kinder mit seelischer Behinderung ist die Teilhabe an Bildung gefährdet bzw. bereits beeinträchtigt. Sie benötigen aufgrund ihres Hilfebedarfs also die Assistenzkraft, die das Kind in der 1:1 Situation unterstützt. Diese Hilfe hat der Gesetzgeber dem örtlichen Eingliederungshilfeträger zugeordnet ohne ihn an schulrechtliche Bedingungen zu knüpfen. Er muss hier seiner Pflicht nachkommen.
Der Rechtsanspruch auf unterstützende Leistungen nach dem SGB besteht unabhängig von Art, Form und Umfang der Beschulung. Der Träger der Eingliederungshilfe hat nach den Vorschriften des § 35a SGB VIII in eigener Kompetenz im Einzelfall zu prüfen, ob die Fähigkeit zur Teilhabe an Bildung durch die Behinderung eingeschränkt ist. Das Jugendamt kann hierfür weder bei der Prüfung zum Anspruch auf die Leistung noch bei der Bewilligung dieser Leistung schulrechtliche Maßnahmen zur Voraussetzung machen.
Wir weisen daher erneut darauf hin, dass das „sonderpädagogische Feststellungsverfahren“ nicht von seiten des Jugendamtes eingefordert werden oder gar erst zur Voraussetzung für den Einsatz der Teilhabeassistenz gemacht werden darf.
Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen haben vielmehr einen Rechtsanspruch, wenn:
Und nur diesen Umstand zu prüfen ist die Aufgabe des Eingliederungshilfeträgers.